Wie ihr wisst, bin ich in Psychotherapie. Mittlerweile sind es fünf Jahre, in denen ich regelmäßig zu Sitzungen mit meiner Gesprächstherapeutin gehe.
In der Therapie geht es nicht darum, dass meine Therapeutin mir Lösungen zu meinen Problemen gibt. Das kann sie auch gar nicht. Sondern sie gibt mir immer wieder Denkanstöße, indem sie mir die richtigen Fragen stellt, über die ich vor allem in der Zeit zwischen den Terminen nachdenke.
In den fünf Jahren habe ich einige Dinge gelernt und ein paar davon möchte ich in diesem Beitrag mit euch teilen.
Es gibt keine positiven oder negativen Gefühle
Für manche von euch mag das vielleicht gerade etwas komisch klingen. Was soll denn an Trauer, Wut und Angst positiv sein?
So einiges!
Angst schützt uns vor Gefahren.
Trauer hilft uns, Verluste zu verarbeiten.
Wut zeigt uns, dass wir mit der Situation nicht zufrieden sind.
Wir empfinden solche Gefühle oft als unangenehm und verurteilen sie daher schnell als „negativ“. Dabei sind auch diese Emotionen dazu da, uns zu schützen und gut durch unser Leben zu kommen.
(Deshalb ist es wichtig, diese auch zuzulassen. Nur wenn sie übermäßig und ohne „realen“ Grund aufkommen, sollte man dagegen vorgehen.)
Als ich noch sehr stark unter Angst und Trauer gelitten habe, wollte ich diese Sicht nicht wirklich wahrhaben, aber seit ich verstanden habe, dass diese Gefühle einen sinnvollen Ursprung haben, fällt es mir leichter damit umzugehen und daran zu arbeiten.
Auch unangenehme Gefühle vergehen
Alles ist vergänglich. So auch Gefühle. Angenehme Gefühle vergehen, aber eben auch unangenehme. Oft empfinde ich Gefühle als sehr schwer auszuhalten. Das führt schnell zu einer hohen Anspannung, die mich wiederum auf schlechte Gedanken bringt.
Meine Therapeutin sagt immer, wenn ich ihr von der Angst erzähle, die ich vor diesen Momenten habe: „Versuche dieses Gefühl auszuhalten, sitze es einfach aus. Auch wenn du schlechte Gedanken dabei hast. Deine Gefühle selbst können dir nichts tun und sie vergehen.“
Und ich muss sagen, dass sie recht hat mit ihrer Aussage. Auch wenn es manchmal richtig schwer ist zu glauben, vergehen auch die unschönen Zeiten.
Ich bin nicht verantwortlich für das Glück anderer
Oft habe ich mich sehr schlecht gefühlt, wenn jemand in meiner Umgebung wirklich unverständliche Entscheidungen trifft oder es der Person grundsätzlich schlecht geht, sich aber nicht wirklich helfen lässt.
Ehrlich gesagt überkommt mich da manchmal immer noch ein abgrundtief schlechtes Gewissen.
Ich kann ehrlich nicht sagen, wieso ich mich so dermaßen verantwortlich für andere fühle, aber es wird besser, denn ich habe gelernt, dass ich nicht für das Glück anderer Menschen verantwortlich bin, sondern nur für mein eigenes (und das meiner Tiere und später eventuell mal das meiner Kinder, aber das ist wieder eine andere Sache bezüglich Verantwortung und Abhängigkeit).
Ich habe das Recht NEIN zu sagen
Früher habe ich viele Dinge mit mir machen und über mich ergehen lassen, die ich so überhaupt nicht wollte. Ich ließ mir einreden, dass ich nicht zu widersprechen hätte, da ich sonst nicht geliebt werden würde.
Das macht über die Jahre ganz schön kaputt und ist einer der Gründe, warum ich zur Therapeutin gehe.
Durch die Gespräche habe ich immer mehr verstanden, dass ich durchaus das Recht habe, „nein“ zu sagen. Wer das nicht akzeptieren kann, hat an meiner Seite nichts mehr zu suchen.
Gerade dieser Punkt war für mich sehr lange schwer zu verinnerlichen. Auch jetzt habe ich manchmal noch ein schlechtes Gewissen oder fürchte, nicht mehr lieb gehabt zu werden.
Aber es ist auf alle Fälle besser geworden und meine Lebensqualität ist um einiges gestiegen.
Ich – und nur ich – darf Entscheidungen über meinen Körper treffen
Dieser Punkt hängt mit dem vorherigen zusammen, aber ich möchte ihn euch trotzdem noch einmal extra erklären.
Einige Menschen, wie beispielsweise mein Liebster, haben das Glück, so gut wie nie zum Arzt zu müssen und bis auch hin und wieder mal eine Erkältung sind sie fit.
Ich habe leider ein paar Baustellen. Nichts tragisches, aber ich muss den einen oder anderen Arzt dann doch öfter aufsuchen.
Grundsätzlich bin ich einer der Patienten, die sich leicht unterbuttern lassen. Oder besser gesagt ließen. Selbst wenn ich eine Untersuchung (natürlich keine überlebensnotwendigen) so gar nicht wollte, habe ich sie ohne Widerrede sofort machen lassen, auch wenn ich dadurch gelitten habe wie ein Hund.
Es hat lange gedauert, aber seit dem letzten Jahr habe ich es verinnerlicht:
Ich bin die Chefin, wenn es um meinen eigenen Körper geht!
Ich bestehe, wenn ich es für nötig halte, auf eine Bedenkzeit. Wenn abgemacht war, dass diese oder jene Untersuchung nur stattfindet, wenn mein Freund dabei ist, dann beharre ich mittlerweile darauf, auch wenn ich dabei noch die eine oder andere Träne vergieße.
Mit diesem Punkt habe ich viel weniger Stress vor Arztterminen, da die vermeindliche Macht des Arztes über mich viel geringer und weniger gruselig ist.
Das waren meine fünf Dinge, die ich in fünf Jahren Gesprächstherapie gelernt habe.
Gruß und Kuss
PiusLucius
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